Von Elisabeth Maier

Wer den Bürgertreff Ostertagshof in Neuhausen betritt, stößt auf die Silhouette eines Obdachlosen. Allerdings ist da genaues Hinschauen gefragt. Denn das sogenannte Pixel-Bild hat das Künstlerkollektiv „verstoffwechselt“ mit Gudrun Staiger und Rudi Beutinger aus weggeworfenen Packungen und Schachteln hergestellt. Ihre bunten Mosaikbilder sind aufgebaut wie ein digitales Bild. Sie sind aus Verpackungsmaterial zugeschnitten, jeweils in der gleichen Größe. Joghurtdeckel, Tetrapacks, Tablettenschachteln und anderen Abfall führen die zwei einem neuen Gebrauch zu. Das besondere Verfahren erzeugt reizvolle Effekte. „Das ist Upcycling“, sagt Rudi Beutinger, der in Bempflingen lebt. Obwohl er sich nicht als politischen Künstler begreift, wollen er und Staiger das Bewusstsein der Betrachter für das Elend in der Konsumgesellschaft schärfen.

Am Donnerstag, 9. März, wird die Ausstellung um 19 Uhr im Ostertagshof eröffnet. Da kooperiert Barbara Lörz, die das Ausstellungsprogramm im Ostertagshof kuratiert, eng mit dem Kunstverein Neuhausen. Dessen innovative künstlerische Leiterin Susanne Jakob führt in die Werke ein. Die Begrüßung übernimmt Rolf Haas, der 2. Vorsitzende des Kunstvereins und Vorsitzender des Fördervereins Ostertagshof. „Die Zusammenarbeit ist wunderbar“, schwärmt Lörz, die eine gefragte Künstlerin ist und den Verein seit den Anfängen unterstützt. Im Bürgertreff möchte sie „einem vielschichtigen Publikum ein anspruchsvolles Programm bieten“.

Ästhetische Heimat im Kunstverein

Rudi Beutinger ist selbst Mitglied des Kunstvereins in Neuhausen. Da findet der Künstler, dessen Projekte auf kunst- und gesellschaftskritischen Konzepten basieren, eine ästhetische Heimat. „Uns geht es nicht nur um Aquarellmalerei“, findet der Bempflinger. Die künstlerische Leiterin Jakob entwickele mit Künstlerinnen und Künstlern anspruchsvolle Projekte, die Grenzen der Gattungen überschreiten.

Gudrun Staiger hat er bei der Ausbildung an der Kunsthochschule Nürtingen und der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg getroffen. Beide haben schnell gespürt, dass sie auf einer Wellenlänge liegen, sind nun Weggefährten. „Wir inspirieren uns gegenseitig, reden viel über unsere Arbeit“, schildert Beutinger den kreativen Austausch. „Mal bremst der eine, mal die andere“, fügt er augenzwinkernd hinzu. Im Bürgertreff will er die Betrachter dazu verführen, ganz genau hinzusehen. „Manchmal muss man auch die Augen zukneifen, erst dann erkennt man das Bild.“ Das gilt zum Beispiel für das Werk „Fluss“. Aus hunderten Pixeln kristallisieren sich langsam eine Brücke und die spiegelnde Oberfläche des Wassers heraus. Mit einer Lupe oder dem Fernglas, die man ausleihen kann, ist das Bild scharf zu erkennen. Das gilt auch für „Plastic Ocean“. Da offenbart sich Staigers und Beutingers gesellschaftskritisches Anliegen. „Wir thematisieren die riesigen Kunststoffmengen, die unsere Ozeane und Flüsse als Kleinstpartikel schädigen.“ Auch das Bild „30 000“, das eine gelbe Plastikente zeigt, bezieht sich auf Zerstörung der Natur durch Konsum. Es erinnert an den Frachtcontainer mit ebenso vielen Gummitieren, das ein Frachtschiff am 10. Januar 1992 im Nordpazifik verlor. „Seitdem treiben die Enten auf den Weltmeeren“, erinnert der Künstler an den Unfall, der Schlagzeilen machte. Sie seien schon an den Stränden von Indonesien, Australien oder Südamerika entdeckt worden.