Südwest Presse Autor: WIELAND LEHMANN | 20.01.2012


Neckartenzlingen.  Mit einer gut besuchten Vernissage wurde die Ausstellung in der Galerie im Rathaus Neckartenzlingen eröffnet. "Verstoffwechselt" nennen sich die Künstler, die ein Spiel zwischen Betrachter und Objekt bieten.

Seitlich vor der Eingangstür zum neuen Rathaus liegt ein flacher Sandstein, darauf Schriftzeichen, nicht zum Wort geworden. Ist es überhaupt Schrift? Zeichen wäre das bessere Wort. Es könnte arabisch sein oder anderen entfernten Sprachen zugeordnet werden - und würde doch kein sinnhaftes Wort ergeben.

Im Foyer des Rathauses steht eine Fichte, der Nadeln schon arg verlustig, die bilden fein säuberlich einen Rand auf dem Boden. Am Baum Holzkästchen, darin Kleeblätter aus Farbe und Blattgold und jeweils nur ein Wort: Geist, Reichtum, Tarnung, Sehnsucht, Machtlos, Intensität, Zufriedenheit . . .

Im Foyer seitlich liegt ein Sandstein, darauf die weiße Schrift "Kunst kommt" darunter noch farblos "von Können?". Dem Stein zugeordnet eine gemalte Hand mit Pinsel. Es sind Objekte einer Ausstellung, die dem betrachtenden Auge etwas zeigen, dem jedoch keine sofortige gedankliche Umsetzungen folgen kann. Folgen soll?

Gudrun Staiger und Rudi Beutinger machen es dem Besucher nicht leicht. Da ist Herausforderung noch eine schwache Bezeichnung, vielleicht könnte es in Verbindung mit Auseinandersetzung den Kern des Anliegens treffen. Noch dazu, wenn bei den in der Ausstellung fotografisch fixierten Sandsteinen der Begriff Kolportage über der Erläuterung steht, was dem Begriff ja nichts anderes als Gerücht, auf billige Wirkung abzielender Bericht oder literarisches Werk zugeordnet ist. Und wenn zum Fichtenbaum "Mutanten des Glücks" vermerkt ist. Glück zur Zufriedenheit mutiert?

"Verstoffwechselt" nennt sich die Künstlergruppe. Darin steckt Stoffwechsel, es könnte aber auch verwechselt heißen oder Stoff im Wechsel. An Stoff zur künstlerischen Umsetzung fehlt es wahrlich nicht. Doch was die beiden Künstler in dieser Ausstellung zeigen, sei es bei der Gestaltung von Arzneimittelverpackungen nach Beipackzetteln zu "Medikamenten" - natürlich der Naturapotheke -, die nicht vorhanden sind, bei den fotografischen Reflexionen von Licht, bei der Begegnung mit dem Verfallsprozess, das kann beim Betrachter den Horizont nicht nur erweitern, sondern ihn in völlig neuer Dimension bereichern. Wie auch bei dem auf Leinwand gestalteten Geysir auf dem Fußboden, einer "Landschaft in Öl", die so schön ist und doch in ihrem gedanklichen Ausmaß erschrecken könnte.

Bei der Vernissage sprach Bürgermeister Herbert Krüger beim Baum von der Zeitlichkeit, die Assoziationen hervorrufen kann. Professor a. D. Helmuth Kern wollte in seinen Ausführungen zur Ausstellung die Brille der außerordentlich zahlreichen Gäste der Vernissage nicht sein, setzte auf die Sensibilität des sich Einlassens auf die Kunstwerke. "Schöpfung aus der Freiheit ist Kunst", gab er den Gästen zu bedenken. Deren Gedanken- und Gefühlsfreiheit und der der weiteren Besucher der Ausstellung ist mehr als Raum gegeben.

Die Künstler verlosten bei der Vernissage ein Objekt vom Baum. Eine Dame hatte das Glück, eines der Kästchen zu gewinnen. Es zeigt ein Kleeblatt mit dem Begriff Werte. Wie lautet der Titel des behängten Baums? "Mutanten des Glücks". Da lassen sich doch wahrlich Bezüge erschließen. Ein Glück ist es jedenfalls, dass es dem Arbeitskreis Galerie im Rathaus, bestehend aus vier Gemeinderäten und drei engagierten Bürgern, immer wieder gelingt, mit den Ausstellungen eine Plattform für professionelle und Hobbykünstler, für Vereine, Schulen und edukative Einrichtungen ihre Arbeit und daraus resultierende Kunstwerke der Öffentlichkeit zu präsentieren.