Ebene 0, "von außen betrachtet", 2014

Städtische Galerie Reutlingen, " Junge Kunst" 2013

Pressetext:

Entmaterialisierung der Sichtbarkeit

Die konzeptuelle Arbeit thematisiert einen subtilen Auslöschungsprozess, der durch das bildnerische Medium des Faxausdrucks auf Thermopapier in Szene gesetzt wird. Im Mittelpunkt steht die langsame Auflösung einer von uns modifizierten Textzeile Antoine de Saint-Exupérys, die in Brailleschrift auf Thermopapier übertragen wurde – eine Schrift, die zuvor von Hand mit Bleistift gezeichnet wurde. Hier manifestiert sich der Gedanke der Entmaterialisierung, indem das Bild, das auf dem Thermopapier erscheint, der Zeit und den äußeren Einflüssen unterworfen ist, bis es letztlich vollständig verblasst.

Wo der traditionelle Maler oder Zeichner durch die Wahl stabiler Materialien eine Form der Dauerhaftigkeit anstrebt, gehen wir den entgegengesetzten Weg: Die physische Existenz des Werkes ist von Anfang an auf seine eigene Auflösung hin angelegt. Es ist ein Kunstwerk, das sich dem Betrachter nicht nur in seiner Vergänglichkeit offenbart, sondern dessen Endzustand im völligen Verschwinden liegt.

Das Werk verweigert sich der üblichen Logik der Dauerhaftigkeit und provoziert eine philosophische Reflexion über die Natur des Sichtbaren. Indem der Text über eine größere Fläche im Raum verteilt wird, wird das Paradoxon der Wahrnehmung ins Zentrum gerückt. Der sehende Betrachter, der lediglich die abstrakten Bildpunkte erfasst, bleibt des eigentlichen Inhalts beraubt. Ebenso ist es dem blinden Betrachter verwehrt, den Text durch Berührung zu erfassen, da die Braillepunkte weder erhaben noch tastbar sind.

Dieses bewusste Spiel mit der Wahrnehmung zielt darauf ab, die Grenzen des Begreifbaren aufzuzeigen. Das Werk entzieht sich der Verfügbarkeit und fordert dazu auf, sich der Unmöglichkeit der vollständigen Erfassung zu stellen. So wird die „Wirklichkeit“, wie Saint-Exupéry sie beschreibt, nicht nur unsichtbar, sondern in einem tieferen Sinne unerreichbar. In der allmählichen Auslöschung des Sichtbaren wird die Idee der Wirklichkeit selbst aufgelöst – ein poetisches Verblassen, das das Vergängliche nicht als Verlust, sondern als inhärenten Bestandteil der Existenz von Kunst begreift.